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Titel:
Stiftungsbrief für das Wildkirchli
Thema: Leute
Ort: Schwende (Karte anzeigen)
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Datum: 26.01.1679
Masse: 42 x 52 cm
Standort: Landesarchiv Appenzell Innerrhoden, G.I.b.118
Urheber/-in: Pfarrer Ulmann Paul(us)
Beschreibung:
Stiftungsbrief der Höhlenkapelle und Einsiedelei im Wildkirchli. Pergamenturkunde, mit welcher der Gründer der Einsiedelei, Pfarrer Paul(us) Ulmann am 12. Januar 1679 Kirche und Eremitenhaus mit allem, was dazu gehört (Sakristei, Altar usw.), testamentarisch in eine Stiftung einbrachte, die unter der Aufsicht der Innerrhoder Landesbehörden stehen sollte. Ulmann, der für die Kosten von Kapelle und Bruderhaus selber aufgekommen war, lag viel daran, die Einsiedelei und die Tradition der Höhlenmessen nach seinem Tod aufrecht zu erhalten. Als Stiftungsgut schenkte er zudem die von ihm erworbene, unterhalb des Wildkirchli gelegene Alp Oberbommen. Die Alphirten hatten den jeweiligen Einsiedler mit Nahrungsmitteln zu versorgen und bezahlten eine jährliche Pacht von 40 Gulden bzw. 210 Franken neuer Schweizer Währung. Daraus wurde der Unterhalt der Gebäulichkeiten im Wildkirchli bestritten. Ausserdem erhielten die Geistlichen, welche im Wildkirchli die Messe lasen, eine Entschädigung für ihre Mühe, Weltgeistliche in barer Münze, Kapuziner in Form von Speis und Trank. Brauchte es zur Gestaltung der Messe einen Chor, so erhielten auch die Sängerinnen und Sänger ein kleines Entgelt. Was vom Pachtzins übrig blieb, ging an den jeweiligen Eremiten, der daraus seinen Lebensunterhalt bestritt. Die Stiftung verwaltet noch in der Gegenwart die Kapelle, die zugehörige Alp sowie das 1937 erworbene Berggasthaus Äscher. Sie wird durch den jeweiligen Landeshauptmann geleitet und ist auch für die Durchführung der Gottesdienste an den beiden Kapellfesten besorgt. Auf Bitte Ulmanns versah der Landrat die Urkunde mit dem kleinen Innerrhoder Landessigel von 1530, um den öffentlichen Charakter der Stiftung zu betonen.
Geschichte:
Die Bezeichnung Wildkirchli taucht erstmals 1524 in einem Text des St. Galler Reformators Joachim von Watt (Vadian, 1484-1551) auf. Es ist anzunehmen, dass die Sennen der nahen Ebenalp von sich aus in den Höhlen einen kleinen Ort der Andacht eingerichtet hatten. Als der Kapuzinerpater Philipp Tanner (1578-1656) anlässlich einer Alpsegnung die Stätte 1621 aufsuchte, fand er sie jedoch in verwahrlostem Zustand vor. Mit Unterstützung der Innerrhoder Behörden liess er einen neuen hölzernen Altar und vor der Felsgrotte ein Türmchen mit einem grossen Kreuz errichten. Im Spätherbst 1621 führte er in der dem Erzengel Michael geweihten Kapelle wieder Wallfahrtsgottesdienste durch, die im Volk grossen Anklang fanden. Nach dem Wegzug Tanners von Appenzell 1624 geriet die Höhlenkapelle jedoch zunehmend in Vergessenheit.
Erst drei Jahrzehnte später setzte sich der Appenzeller Pfarrer Paulus Ulmann (1613-1680) auf Anregung Pater Phillips erneut für das Wildkirchli ein. 1656 liess er in der Kirchlihöhle einen steinernen Altar und ein Sakristeigebäude sowie in der unteren Höhle ein Eremitenhäuschen errichten und hielt von neuem Gottesdienste. 1658, zwei Jahre später, gab Ulmann die Pfarrpfründe Appenzell auf und zog als erster Eremit ins Wildkirchli. Der Abschied von Appenzell war ihm insofern leicht gefallen, als sein Kampf gegen Trunksucht und Sittenzerfall zum Zerwürfnis mit den weltlichen Behörden geführt hatten. Nachdem ihn der Bischof von Konstanz 1660 als Propst ins Kloster Lindau gerufen hatte, kehrte er 1669 nach Appenzell zurück und hielt fast bis zu seinem Tod regelmässig Gottesdienste im Wildkirchli. Höhepunkte bildeten das Schutzengelfest am zweiten Sonntag im Juli und der Michaelstag am letzten Sonntag im September.
Unter Ulmann entwickelte sich das Wildkirchli zu einer beliebten Andachtsstätte. Die Innerrhoder Bevölkerung strömte in grosser Zahl zu ihm in die Ebenalp hinauf und die Sennen der umliegenden Alpen waren dankbar für die seelsorgerische Betreuung, die sie sonst während des Alpsommers schmerzlich vermissten. Um die Einsiedelei auch über seinen Tod hinaus zu erhalten, brachte Ulmann Kapelle und Eremitenhäuschen mit allem, was dazu gehört, 1679 in eine Stiftung ein. Dazu gehörte auch die unterhalb gelegene Alp Oberbommen. Ihr Ertrag sollte für den Unterhalt der Gebäude, für das Lesen der Messe und für den Lebensunterhalt künftiger Einsiedler eingesetzt werden. Nach Ulmann lebten 22 Waldbrüder der Schweiz. Eremitenkongregation im Wildkirchli.
Im 18. Jahrhundert erfreute sich das Wildkirchli wachsender Beliebtheit als Ausflugsort für vornehme Touristen. Schriftsteller, Maler, Naturforscher und Kurgäste, welche im Weissbad logierten, strömten in die Ebenalp hinauf. Vor dem Hintergrund der Natur- und Bergbegeisterung im Zeitalter der Aufklärung wurde das Wildkirchli zum Thema literarischer Texte, zum Motiv für Malereien, Zeichnungen und Stiche sowie nicht zuletzt zum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen. Die Einsiedler zeigten den teils berühmten Gästen die Höhle, bewirteten sie und verkauften ihnen Bärenknochen als Souvenirs. Die Waldbrüder waren somit zu einer frühen Form von Fremdenführern mutiert und führten ab 1795 sogar eigene Gästebücher. Nachdem 1853 der letzte Waldbruder beim Laubsammeln tödlich verunglückt war, wurde die Einsiedelei nicht mehr besetzt. Anstelle des inzwischen baufälligen Eremitenhäuschens entstand 1860 ein Gasthaus im Stile eines Berner Chalets. Bereits 1846 war in unmittelbarer Nähe das Berggasthaus Äscher erstellt worden, zusammen mit dem Alten Säntis die älteste Gastwirtschaft im Alpsteingebiet.
Autor: Stephan Heuscher, Appenzell
Chronologie:
1524 Ersterwähnung des Wildkirchli durch Vadian
1621 Einrichtung einer Höhlenkirche durch Pater Philipp Tanner
1656 Neuausstattung des Wildkirchli durch Pfarrer Paul Ulmann
1658 Pfarrer Ulmann zieht als erster Eremit ins Wildkirchli
1679 Gründung der Wildkirchli-Stiftung durch Pfarrer Ulmann
1723-1853 Waldbrüder des Schweiz. Eremitenkongregation bewohnen die Einsiedelei
1846 Eröffnung des Gasthauses Äscher
1860 Erstellung eines Gasthauses im Wildkirchli anstelle des Eremitenhäuschens
Literatur:
Bächler, Emil: Aus der Geschichte des Wildkirchli. St. Gallen 1930
Bächler, Emil: Das Wildkirchli. Eine Monographie. St. Gallen 1936
Bischofberger, Hermann: Das Wildkirchli. Seine Stiftung und seine Beziehung zu den Kapuzinern. Appenzell um 1980 [Typoskript]
Fischer, Rainald u.a.: Ebenalp-Wildkirchli. Jubiläumsschrift zum zwanzigjährigen Bestehen der Luftseilbahn Wasserauen-Ebenalp. Appenzell 1974
Grosser, Hermann. Hangartner, Norbert: Appenzeller Geschichte, Bd. 3: Appenzell Innerrhoden von der Landteilung 1597 bis ins 20. Jahrhundert. Herisau, Appenzell 1993, S. 38, 119, 149-153, 374f. und 541
Hutter, Marc u.a.: Das Wildkirchli. Dokumentation für Lehrkräfte der Mittel- und Oberstufe. Appenzell 1997
Küng, Josef et al.: Unser Innerrhoden. 2. Aufl. Appenzell 2003, S. 165-170
Rusch, Johann Baptist Emil: Alpines Stillleben. Lindau 1881
Schmid, Elisabeth: Wildkirchli. In: HLS. Version 17.12.2012. URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D12768.php (19.02.2013)
Transkription:
Im Namen der allerheilsten unnd unzertheilten dreyfaltigkeit amen. Nach deme ich zue end verzeichneter die kürtze dises müheseeligen lebens, die gewissheit dess unvermeidenlichen todtss, aber desselben ohngewisse stund, wie dan auch insonderheit dass endtsezliche alssbald darauf erfolgende sonderbahre gericht, in welchem unnser abgeleibte seel dem allerhöchsten richter, von dem Hl. Ertz Engel Michael werde zue uhrtheilen fürgestelt werden, etwass thieffers zue hertzen geführt unnd betrachtet, habe ich mit gueter vernunfft unndt reiflichem verstandt, auch aus freyem ohngezwungnem willen unndt vollmechtig befüegtem gewalt mich entschlossen, ein pium legatum oder schankhung von todts wegen in bester form, recht unnd krafft, als es den namen haben mag, zue verordnen und zue hinderlassen, alss wie folget:
Namblich unnd zuem ersten schenkhe unnd verordne ich dem allmächtigen Gott zum höchsten lob, Marjae seiner aller heilligsten mueter unnd allzeit ohnbefleckhten Jungfrowen, meinem sonderbahren patronen unndt vor dem richter stuel Gotess beschützer S. Michael unndt aller hh. englen wie nit weniger allen h.h. einsidleren sambt dem gantzen himlischen here zue ehren, meiner unndt aller verwandten seellen trost unndt heyl, wie dann auch dem lieben vatterlandt zur mehrerem ansehen unndt guetem. S. Michlen in der Wilden Kirchen, mein wayd, genant Ober Bodman, stost an die Unnder Bodman, an gemelte Wilde Kirchen, unndt an den Äscher, ledig unndt looss, vorbehalten das holtz, so in der weyd stehet, ist gemeyn, mit disem austruckhlichem vorbehalt, dass man selbige waid keines vertausche oder verkauffe, sonder alss das aller beste unnderpfandt unndt haubtgueth allezeit unveränderlich verbleiben lasse unndt handthabe, damit erstlich dass orth nach erforderung dess hoch würdigen weych bischoffs zue Costantz (wie in der ertheilten licenz mess allda zue lessen erscheinet) dotirt, auch allerseits sambt dem eingang, brugg, unnder unndt oberer pforten in dach unndt gemach erhalten unndt zue seiner zeit, wan es glegenheit consecrirt unnd eingeweychet werde.
Beneben ssolle auch aller jährlichen auffs wenigest 2 oder 3 mahlen alss in Festo Apparitionis et Dedicationis S. Archangeli Michaelis, item am Sontag der h. Schutz Englen alldorten der gotssdienst sonderlich den sennen unnd alpleren, welche sonsten den gantzen somer weder mess noch predig können hören, zue guetem mit einem ambt oder stillen mess unnd predig, wan das volckh vorhanden, gehalten. Auch alwegen auss den jährlichen zinssen, dem ehrw. priester (welcher die h. mess zue jederzeit für den herren stiffter unnd gantze fründtschafft auch andere guett thätter dess orths solle appliciren) ein guldin für sein belohnung, den vil ehrw. P.P. Capucineren aber so vil umb speiss unnd tranckh unndt den seingeren 10 batzen gegeben werden. Wofern aber, an vorgedachten tagen wegen einfallenden schnee, schweren ohngewitteren oder anderen erheblichen uhrsachen nit wol möglich in die Wilde Kirchen hinauf zue komen, kan unnd soll der gottssdienst auf ein andere komliche Zeit gericht unnd alwegen zue vor ab der canzelen dem volckh vom allweilligen pfahrherren verkündet werden.
Zuem anderen, wan über kurtz oder lang einer oder der ander wald brueder gesinnet wäre, die Wilde Kirchen einzuewohnen unnd Gott alldort fleissig zue dienen, deme soll der überige jahrliche zinss, so nit an bauw unndt gotsdienst wie obvermelt, angewendt wirt, vergohnnet seyn, iedoch mit bedingnus, dass er nit anders, alss uff guethaissung geist- unndt weltlicher obrigkheit für dauglich erkhendt unnd angennomen. Auch alwegen die qualificirte landtskhinder den frembden vorgezogen werden.
Zuem driten belangend dass haubtgueth, solle es zue jeden zeiten an einer wohlweissen obrigkheit (welche dises orths sowol als all andere geistliche des ganzen landts unnder ihr protection, schuz unnd schirmb genomen) stehen, einen vogt aus den Ulmanischen geschlecht oder freündtschafft zue erwöhlen unndt sollen meine freündt unndt erben hierinnen gar nichts zu forderen, ordnen, nach zue praetendiren haben, sonder alles mit einander ohnveränderet nach meinem wie obgesezt unndt vestgestellten letsten willen verbleiben. Unndt im fall wider alles verhoffen uber kurtz oder lang einer oder mehr aus meinen verwandten unndt erben sich wider dise meine schanckhung unndt gottsgaab in einem oder mehr puncten zue impugniren unnd an zue fechten unnderstehen wurde, so ist mein ernstliche meynung, dass er oder seye alss ihr legatum oder wass ihnen erbssweiss von mir hinderlassen gantzlich verwürckht haben, unnd dasselbe uff die andern fridsambe, danckhbare unndt bedürfftige freündt fallen solle.
Zuem vierten so ist mein endtlicher letster weil, dass wan mir vor meinem abschid nach über diss gemelte fehrners etwas ad pias causas oder sonsten nach guet gedunckhen zue vermachen belieben wurde, sodan auch das obgesezte zue veränderen zue minderen oder zue mehren ich mir mein libertet unndt vollmächtigen gewalt als einer geystlichen unndt in disem fahl privilegirten persohn gebühret, zue brauchen vorbehalte, unndt solle dasselbe alles unndt jedes gleich wie das vorgeschreibne seine unumbstössliche krafft und valor haben.
Darumben undt zuem beschluss dise meine schanckhung unndt letster weillen einiger ausgelassener Zierligkheit halben, wie die immer hierwider durch menschliche fündt, list unndt sünlichkeit möchten erdacht, mangel oder gebrechlichkheit zue haben vermeint werden wölte, soll sollcher mangel hiemit vollkommlich aufgehebt, supplirt unnd gänzlich erstattet seyn, also dass alles, so hierinnen geschreiben ist, nichts desto weniger bestandige würckhung eines endtlichen perfecten letsten weillens habe unndt behalte unndt zue seiner zeit durch so wol geistl. alss weltliche obrigkheit vollzogen unndt inss werckh gerichtet werde. Unnd zue bekrefftigung dessen bite ich, der verordnende, eine hoch unnd wol weise obrigkeit dess lobl. standts Appenzell Inneren Rooden, nit allein ehe gedachte St. Michaeliskirchen sondern auch dise meine schanckhung unndt letsten willen in ihren obrigkheitlichen schuetz unndt schirm zue nemen unndt bestendig zue halten unndt zue bekrefftigung dessen ihr gewohnlich landts secret insigel vorzue hierunder anhenckhen. So beschehen unndt geben den sechss unndt zwäntzigesten tag Jenner dess sechsszehenhunderten neuen unndt sibenzigesten Jahrss.
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