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Titel:
Heiligenvita des Karl Borromäus in der Steig-Kapelle
Thema: Politik
Ort: Appenzell (Karte anzeigen)
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Datum: --.--.1621
Masse: 212 x 278 cm
Standort: Appenzell, in der Steig
Urheber/-in: Moritz Girtanner
Beschreibung:
Heiligenvita in der Kapelle St. Karl Borromäus in der Steig. Das dem Maler Moritz Girtanner (1575-1629) zugeschriebene Gemälde nimmt die obere Hälfte der westlichen Kapellenwand über der Eingangstüre ein. Es zeigt im Zentrum den Heiligen vor einem Altar knieend, umgeben von elf Rosetten mit Szenen aus seinem Leben. Am unteren Bildrand die Wappen des Stifterehepaars Sebastian von Heim, 1620-1625 Kirchenpfleger, und seiner Ehefrau Anna Müssler.
Geschichte:
Die Kapelle St. Karl Borromäus wurde 1619/20 auf Geheiss von Ulrich Grunder, Hauptmann der Lehner Rhode, und seiner Ehefrau Adelheid Lehner erbaut und am 3. August 1620 von Weihbischof Johann Anton Tritt konsekriert. Im darauf folgenden Jahr beauftragte Kirchenpfleger Sebastian von Heim und dessen Frau Anna Müssler den in Appenzell tätigen Kunstmaler Moritz Girtanner mit der Ausschmückung der Rückwand. Die Errichtung frommer Stiftungen zugunsten des Seelenheils der eigenen Person und demjenigen naher Verwandter und Bekannter war in der frühen Neuzeit ein verbreitetes Phänomen. Dabei kamen verschiedenste Formen vor von Ablassbriefen, über Jahrzeitmessen bis hin zu Schenkungen zugunsten der Pfarrei- und Kaplaneipfründe. Der Errichtung von Stiftkapellen blieb - allein schon aus Kostengründen - der bürgerlichen Oberschicht vorbehalten. Mit religiösen Motiven konnten sich durchaus auch politische Stellungnahmen verbinden, wie das Beispiel der Kapelle St. Karl Borromäus beispielhaft zeigt. Der Gemäldestifter Sebastian von Heim war nicht nur ein frommer Mann, er trat kurz vor seinem Tod (1625) als Söldner in die Dienste des Papstes, der zu jener Zeit immer wieder in die Machtkämpfe unter den italienischen Fürstentümern verwickelt war. Von Heim war einer der sechs Söhne von Johannes von Heim, einem der einflussreichsten Innerrhoder Politiker zur Zeit derGegenreformation und ein Vorkämpfer für die Sache des Katholizismus. Dies erklärt auch die Wahl von Karl Borromäus, einem höchst aktuellen Heiligen jener Zeit zum Kapellenpatron.
Der in der Kapelle verehrte Heilige Karl Borromäus (1538-1584), als Sohn des Grafen von Arona am Südwestufer des Lago Maggiore geboren, war mütterlicherseits mit dem florentinischen Fürstengeschlecht der Medici verwandt und gehörte somit höchsten italienischen Adelskreisen an. Er studierte in Pavia weltliches und kirchliches Recht und doktorierte 1559. Im gleichen Jahr bestieg sein Onkel mütterlicherseits als Pius IV. den Papstthron. Dieser berief Borromäus nach Rom und machte ihn zum Kardinalsdiakon und Staatssekretär. 1560 wurde Borromäus auf Lebenszeit die Verwaltung des Erzbistums Mailand verliehen. Er blieb jedoch noch bis 1566 in Rom und liess das Erzbistum in dieser Zeit von Stellvertretern verwalten. Nach der Priester- und Bischofsweihe (1563) erhielt Borromäus 1564 die Kardinalswürde verliehen. Ab 1566 residierte er im Erzbistum Mailand und ging daran, die Beschlüsse des gegenreformatorischen Konzils von Trient in die Tat umzusetzen. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den katholischen Orten der Eidgenossenschaft, v.a. den Tessiner Vogteien, die der geistlichen Gerichtsbarkeit Mailands unterstanden. Auf Antrag der katholischen Orte war er schon 1560 zum Protector Helvetiae ernannt worden. Darauf besuchte er die Eidgenossenschaft mehrmals als Geistlicher und als Diplomat und legte die Grundlagen für eine weit greifende geistige Erneuerung. Um die Ausbildung und Disziplin des Klerus zu verbessern und gleichzeitig der Verbreitung des Protestantismus Einhalt zu gebieten, regte Borromäus 1579 die Errichtung einer ständigen Nuntiatur in der Schweiz an, ein Anliegen, das 1586 verwirklicht wurde. Er schlug auch die Gründung eines Jesuitenkollegs und eines Priesterseminars vor. 1579 gründete er in Mailand das Collegium Helveticum, das den Schweizer Klerus ausbilden sollte und mit 50 Stipendien ausgestattet war. Zwei Plätze waren stets für Studenten aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden reserviert. Durch diese Beispiele ermutigt, liessen sich die Jesuiten 1579 in Luzern, später auch in Freiburg und Pruntrut nieder. Dank der Unterstützung durch den ersten apostolischen Nuntius in der Schweiz, Giovanni Francesco Bonomi, eröffneten die Kapuziner 1581 in Altdorf ihre erste Mission nördlich der Alpen. Dieser folgten Klöster in Stans (1582), Luzern (1583), Schwyz (1585) und Appenzell (1587). Borromäus galt als Vorkämpfer der katholischen Erneuerung im Sinne des Konzils von Trient. Er wurde 1610 heilig gesprochen und ist Schutzpatron der katholischen Schweiz. Neben der Kapelle in der Steig ist Karl Borromäus auch auf dem Kongregationsbild neben den Hochaltar der Pfarrkirche Appenzell dargestellt. Das Gemälde wurde 1625 ebenfalls von Moritz Girtanner geschaffen und zeigt den Heiligen als Beschützer der Innerrhoder Schüler des Helvetischen Kollegs in Mailand.
Autor: Stephan Heuscher, Appenzell
Literatur:
Crivelli, Pablo: Borromäus, Karl. In: Historisches Lexikon der Schweiz. Version 25.06.2013. URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10211.php (29.05.2013)
Fischer, Rainald: Appenzeller Geschichte. Bd. 1: Das ungeteilte Land. Herisau, Appenzell 1964, S. 471-478
Koller, Ernst H. Signer, Jakob: Appenzellisches Wappen- und Geschlechterbuch. Bern, Aarau 1926, S. 104/05 und 117-121
Signer, Jakob. Chronik der Appenzell Innerrhoder Liegenschaften. In: Appenzellische Geschichtsblätter Nr.13, Juli 1944
Tags:
Appenzell, Gemälde, Religion, Kapuziner, Innerrhoden, Gegenreformation, Karl Borromäus, Kapelle, Steig, Glaube, Konzil von Trient, Jesuiten
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