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Titel:

Büchlein mit Umrechnungstabellen für Leinwandhandel

Thema: Wirtschaft

Ort: Trogen    (Karte anzeigen)

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Datum: --.--.1752

Masse: 10,5 x 7,5 cm

Standort: Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, App 212

Urheber/-in:

Beschreibung:

Ein sehr kleines, 134-seitiges "Leinwath Buechli" mit Umrechnungstabellen zu jeweils 10 bis 15 Ellen Leinwand zum Pfund (die Ostschweizer Tuchmanufaktur rechnete mit verschiedenen Ellen – für Leinwand mass die Elle 70-77 cm). Im Gebiet der Schweiz war das Pfund bis im Jahr 1877 die Gewichtseinheit von ca. 300-1000 g. Die erste Tabelle fängt mit der Einheit 30 pro Pfund an, die zweite Tabelle mit der Einheit 30 ½ pro Pfund – in diesen ½ Schritten gestalten sich die Tabellen im gesamten Leinwandbüchlein und hören bei der Einheit 100 pro Pfund auf.

Der Preis für die Ellen zum Pfund sind in der Trogner Währung Gulden, Kreuzer und Heller angegeben. Nebst der Trogner Währung ist in einer zweiten Tabelle die Währung in spanischen Dublonen zur gleichen Einheit pro Pfund angegeben.

Anhand eines konkreten Beispiels ist der Nutzen des Leinwandbüchleins folgendermassen zu verstehen: Ein Trogner Kaufmann verkauft seine Leinwand einem Käufer in der Südschweiz. In der Südschweiz gilt das oberitalienische Pfund à 313-385 g. Der Trogener Kaufmann kann deshalb laut seinem Leinwandbüchlein für 31 Einheiten pro Pfund für eine Leinwandlänge von 10 Ellen 20 Gulden, 51 Kreuzer oder 2 ½ spanische Dublonen, 1 Gulden, 41 Kreuzer verlangen. Wenn der Kaufmann aus Trogen aber im Welschland handelt, wo das Pfund à 488-578 g gilt, kann er für 48 Einheiten pro Pfund für eine Leinwandlänge von 10 Ellen 32 Gulden, 37 Kreuzer oder 4 spanische Dublonen, 1 Gulden, 57 Kreuzer einstreichen. Im Titeltext steht zudem, dass der Kaufmann vom Wechselkurs profitiert und ihm der  Restbetrag zugesteht: „Ein sehr nutzliches und ausgerechnetes Leinwath Buechli/nach Trogner Wehrung/Fuer das erste Wie vil Gulden/herracher Wie vil Doblonen Spanische: Da sol ein jeglicher nach dem Preiss und Mess sehen/da ist klar angezeiget/wie vil Guldi/wie ob verdeutet wie vil Spanische Doblen; Da ist alles abgezogen/was soll abgezogen seyn/und hinzugethan/was darzu gehöret: Nemlich eine Doblonen zu 7. Guldi 40. Kr. was sie aber mehrers
giltet/so vil Doblonen ein Leinwath=Tuch betrifft/so hört dem Kauff=herren zurück. Herausgegeben von Johannes Bruderer. St. Gallen/gedruckt bey Ruprecht Weniger/Anno 1752“

Das Leinwandbüchlein stellt eine Gebrauchsschrift dar, die Grösse spricht für den praktischen Gebrauch beim Handelsverkehr. Die Währungsangabe in spanischen Dublonen weist auf den Fernhandelsverkehr hin.

Geschichte:

Die Ostschweiz war schon früh ein Gebiet, das Leinwand nicht nur für die Selbstversorgung und lokale Märkte produzierte, sondern sich auch im Fernhandel betätigte. Im Hoch- und Spätmittelalter stieg die Bedeutung der Stadt St. Gallen als Standort für die Produktion und den Vertrieb von Leinwand, bis sie im 15. Jahrhundert das Leinwandzentrum des Bodenseeraums schlechthin wurde. Der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt St. Gallen im 16. Jahrhundert hing eng mit dem Leinwandgewerbe zusammen.

Infolge von  Pest und Dreissigjährigem Krieg erlitt die Leinwandproduktion einen herben Schlag, auf eine Erholung nach 1650 erfolgte bis in die 1720er Jahre eine gute Konjunktur. St Gallen war laut Walter Schläpfer „eifersüchtig bestrebt […], sein Handelsmonopol aufrechtzuerhalten und die umliegenden Gegenden im Textilhandel nicht aufkommen zu lassen.“ (Schläpfer, S. 89.) Trotzdem bestanden schon seit dem 16. Jahrhundert in den Ausserrhoder Gemeinden Teufen, Speicher und Trogen Leinwandwebereien. Mitte des 17. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Leinwandstadt St. Gallen wieder ab. Gleichzeitig kam dem Trogener Markt neu viel Bedeutung zu, da er von Produzenten der ganzen umliegenden Gegend aufgesucht wurde. In die gleiche Zeit fällt auch der Tod von Conrad Zellweger (1554-1629), der infolge der Gegenreformation von Innerrhoden nach Trogen gezogen war. Er wurde zum Stammvater der erfolgreichen Trogener Kaufmannsdynastie, die im 17. Jahrhundert immer mehr Bedeutung erlangte und bis ins 18. Jahrhundert das Leinwandgewerbe dominierte.

Autorin: Nina Sonderegger, Speicher

Literatur:

Dubler, Anne-Marie: Pfund. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.09.2010. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D14200.php (25.01.2012).

Mayer, Marcel: Leinwand. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.12.2011. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13958.php (25.01.2012).

Schläpfer, Walter: Appenzeller Geschichte, Bd. II. Appenzell Ausserrhoden von 1597 bis zur Gegenwart. Herisau 1972, S. 89-91.

Schläpfer, Walter: Wirtschaftsgeschichte des Kantons Appenzell Ausserrhoden bis 1939. Gais 1984, S. 50-54.

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gedruckt, Trogen, Verzeichnis, Handel, Textilindustrie, Buch, Finanzen, Erwerbstätigkeit, Geld

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